
Die 4-Tage-Woche im Handwerk: So kann’s gehen
Im März fand die DACH+HOLZ International in Stuttgart statt. Auch wir von den zunftschwestern waren vor Ort und durften im Workspace für Digitalisierung und Social Media spannende Diskussionsrunden führen und zu den Themen unserer Impulsvorträge in den Austausch treten.
Eine Diskussionsrunde behandelte das Thema „4-Tage-Woche im Handwerk: Wie es andere schon machen“. Diese Art der Arbeitszeitgestaltung hält auch Einzug ins Handwerk und bietet nicht nur die Möglichkeit, die Zeitgestaltung der Mitarbeitenden zu verbessern, sondern hat auch weitreichende positive Effekte auf die Unternehmenskultur und Effizienz.
Zu dieser Diskussionsrunde konnten wir uns über die Erfahrungen und Einblicke folgender Menschen aus dem Handwerk freuen:
- Nina Weber, Gesellin der Firma Berg Dach + Schiefer
- Rocco Funke, Geschäftsführer der Firma ELBS – Dipl.-Ing. (FH) Rocco Funke e. K.
- Karl Heinz Schwarzbach, Dachdeckermeister und Betriebsinhaber der Firma Karl-Heinz Schwarzbach e. K.
- Christian Engelhardt, Geschäftsführer der Firma Engelhardt Consulting GmbH
Welche Vorteile bietet also die Einführung der 4-Tage-Woche im Handwerk und welche Fallstricke gibt es bei ihrer Einführung zu beachten?
Mitarbeiterzufriedenheit und Produktivität
Die Vorteile einer verkürzten Arbeitswoche scheinen vielfältig. Mitarbeiter genießen einen deutlich verbesserten Ausgleich zwischen Arbeits- und Freizeit, der ihnen erlaubt, persönliche Interessen zu verfolgen und mehr Zeit mit der Familie zu verbringen. Diese neue Freiheit resultiert in erhöhter Zufriedenheit und Motivation, was sich unmittelbar auf die Arbeitsleistung auswirkt. Eine geringere Krankheitsrate und eine steigende Produktivität sind außerdem erfreuliche Konsequenzen.
Ein entscheidender Faktor scheint dabei die Art der Zeitverteilung zu sein. Es können z. B. 30, 37 oder 40 Stunden auf die vier Tage verteilt werden. Dabei geben Mitarbeitende, die 40 Stunden an vier Tagen im Handwerksberuf leisten, an, den freien Tag dringend für die Erholung zu brauchen. In Rocco Funkes Betrieb gibt es keine 40 Stunden-Verteilung, sondern 30 Stunden wöchentliche Arbeitszeit:
„Wenn ich Arbeitszeit- und damit Wertschöpfungszeit reduziere, muss ich die Effizienz steigern. Denn meine Fixkosten bleiben ja die gleichen. Die Reduzierung der Arbeitszeit war bei uns die Motivation dafür, unglaublich viele Optimierungen, Digitalisierungen und neue Prozesse einzuführen“, so Rocco.
Digitalisierung und Mitarbeiterbeteiligung
Die Umsetzung einer 4-Tage-Woche erfordert eine tiefgreifende Transformation interner Prozesse. Digitalisierung und Automatisierung spielen eine zentrale Rolle, um Routinetätigkeiten effizienter zu gestalten und so die Arbeitszeit zu optimieren. Gleichzeitig ist es essenziell, Mitarbeiter in Entscheidungsprozesse einzubeziehen, um eine Atmosphäre der Mitbestimmung und des Engagements zu fördern.
Rocco Funke ging gemeinsam mit seinen Mitarbeitenden in Revision seiner Betriebsabläufe und bat aktiv um Feedback. Ein halbes Jahr nach Einführung der 4-Tage-Woche konnte er sich über 50 % mehr Umsatz freuen.
Attraktivität als Arbeitgeber
In Zeiten des Fachkräftemangels stellt die 4-Tage-Woche ein attraktives Alleinstellungsmerkmal dar, das potenzielle Bewerber:innen anzieht. Sie signalisiert eine fortschrittliche Unternehmenskultur, die den Wert des Einzelnen schätzt und auf seine Bedürfnisse eingeht. Unternehmen, die diesen Schritt bereits vollzogen haben, berichten von einer Vereinfachung der Personalrekrutierung und einer stärkeren Mitarbeiterbindung.
„Die jüngeren Mitarbeitenden nutzen das Angebot gerne und sprechen es aktiv im Bewerbungsgespräch an. Wir treffen individuelle Regelungen mit unseren Arbeitskräften“, sagt Karl Heinz Schwarzbach. „Gleichzeitig ist nicht jeder Mitarbeitende Fan dieses Konzepts. Besonders unsere Altgesellen wollen weiter in der 5-Tage-Woche arbeiten und das respektieren wir genauso.“
Mit individuellen Regelungen und guter Kommunikation zu seinen Mitarbeitenden regelt Karl Heinz auch die Wetter-Frage in seinem Dachdecker-Betrieb: „Wenn wir sehen, dass das Wetter die Woche über bescheiden ist, aber gerade an einem Tag gut werden soll, der durch die 4-Tage-Woche für viele wegfällt, suchen wir aktiv das Gespräch mit unseren Leuten.“
Eine neue Arbeitskultur
Die Implementierung einer 4-Tage-Woche symbolisiert einen Paradigmenwechsel in der Arbeitswelt. Sie reflektiert ein modernes Verständnis von Arbeit, das die Gesundheit und das Wohlbefinden der Mitarbeitenden in den Mittelpunkt stellt. Eine solche Kultur fördert nicht nur ein positives Arbeitsklima, sondern positioniert das Unternehmen auch als zukunftsorientierten und sozial verantwortlichen Arbeitgeber.
Rocco Funke über den Prozess des Umdenkens in seinem Betrieb: „Ich habe keine Arbeitnehmer mehr, ich habe nur noch Mitarbeitende. Ich brauche Menschen, die mitdenken, denn das ist bei uns Pflicht. Diese Pflicht muss ich fördern: Bei uns gibt es keine Sanktion von Fehlern mehr, sondern die Belohnung von Erfolg. Aus dieser Wertschätzung holen wir jetzt eine andere Wertschöpfung. Meine Leute nehmen mir Arbeit ab. Dazu musste ich sie durch Schulungen befähigen und selbst lernen abzugeben.“
Fazit
Die Einführung der 4-Tage-Woche im Handwerkssektor bietet eine beispiellose Gelegenheit, die Arbeitswelt neu zu gestalten. Sie ermöglicht es Unternehmen, sich als attraktive Arbeitgeber zu positionieren, die Produktivität zu steigern und eine Kultur der Wertschätzung und des Respekts zu fördern.
Die Erkenntnisse aus seinem Optimierungsprozess im Betrieb hat Rocco Funke gemeinsam mit Christian Engelhardt in dem Weiterbildungsangebot „Arbeitswelt 5.0“ gebündelt. Das Programm kann bis 100 % gefördert werden, inklusive Lohnkostenübernahme.
Alle Infos dazu findest du hier.





