
Unternehmensnachfolge erstmals durch Tochter gesichert
Hallo Leonie, du arbeitest jetzt seit über zwei Jahren in eurem Familienunternehmen Lemp GmbH & Co. KG aus Moers und bist Nachfolgerin in siebter Generation. Dein sehr umfangreiches Studium mit Bachelor-Abschluss, Auslandssemester und einem Master-Abschluss von der TH Köln liegt noch keine drei Jahre zurück. Wie war für dich der Einstieg in die Berufswelt? Was waren deine Gedanken zum Start bei Lemp und wie fühlst du dich mittlerweile?
Mein Einstieg ins Familienunternehmen war eigentlich ganz anders geplant. Ich habe meine Masterthesis über unser Rebranding zurück zu „Lemp“ im Unternehmen geschrieben und wollte das Projekt im Anschluss eigentlich erstmal umsetzen und dann weiterschauen. Corona hat meine Pläne dann aber etwas umgeworfen und im September 2020 habe ich mich dann dazu entschieden, komplett ins Unternehmen einzusteigen. Das war für mich ehrlich gesagt kein einfacher Schritt und mit einigen Unsicherheiten verbunden. Auf der anderen Seite habe ich aber in den vorherigen Jahren durch einige Projektarbeiten im Unternehmen auch die vielen Vorteile eines Familienunternehmens und die großen Chancen schätzen gelernt. Die letzten Jahre waren dann ähnlich wie eine Achterbahnfahrt. Mitten im ersten Coronajahr in ein Unternehmen einzusteigen war herausfordernd. Inzwischen kann ich aber sagen, dass ich mich sehr gut eingegroovt habe, sowohl im Unternehmen als auch in der Branche. Ich habe auf jeden Fall sehr viel gelernt, auch über mich.
Was sind aktuell deine Kernaufgaben im Unternehmen?
Ich habe den Bereich Marketing komplett übernommen und im ersten Jahr wie ein Trainee so viele Abteilungen durchlaufen wie möglich. Dadurch hatte ich die Möglichkeit, das Unternehmen in allen Bereichen kennenzulernen und mir einen Überblick zu verschaffen. Momentan arbeite ich vor allem an vielen Projekten, die die Zukunft des Unternehmens betreffen. Dazu gehört beispielsweise das Thema Nachhaltigkeit, aber auch die Produktentwicklung bis hin zu Standortfragen. Die Zukunft des Unternehmens, die ja auch maßgeblich meine Zukunft ist, mitzugestalten, ist eine große Herausforderung, aber auch super spannend!
Was sind für dich die wichtigsten Aspekte, die ein familiengeführtes Unternehmen besonders macht?
Kurze Entscheidungswege, Persönlichkeit, die Möglichkeit, ein Unternehmen in vielen verschiedenen Bereichen zu entwickeln und weiterzubringen.
Gibt es durch diese enge Verknüpfung von Arbeits- und Familienwelt auch Konflikte oder besondere Herausforderungen? Wenn ja, wie meisterst du diese?
Auf jeden Fall. Für mich ist das Unternehmen nicht einfach nur ein Job, sondern einer der größten Teile meines Lebens. Als siebte Generation ein Unternehmen weiterführen zu wollen, ist natürlich auch mit einer gewissen Verantwortung behaftet. Da mein Vater sich aus dem Operativen allerdings sehr weit zurückgezogen hat, besteht keine Gefahr, dass wir täglich im Büro aneinandergeraten. Spaß beiseite: Wir haben ein sehr gutes Verhältnis, aber in einigen Bereichen natürlich unterschiedliche Meinungen und Vorstellungen. Das ist aber natürlich auch ein Generationsthema und völlig normal.
Das Unternehmen ist auch im Privaten immer präsent. Da muss man manchmal auch bewusst etwas Abstand nehmen und Familie und Arbeit trennen.
Deine Branche ist zu einem großen Teil von Männern besetzt. Welche Hürden musstest du als Frau in deiner Branche überwinden und siehst du eine Entwicklung in der Geschlechterverteilung in technischen Unternehmen?
Leider bin ich auf den meisten Veranstaltungen immer noch eine von sehr wenigen Frauen. Ich hoffe sehr, dass sich das in Zukunft verändern wird. Was ich allerdings festgestellt habe, ist, dass die wenigen Frauen in der Branche sehr unterstützend sind und wir uns gegenseitig weiterhelfen. Das empfinde ich als sehr hilfreich. Nichtsdestotrotz sind nach wie vor viel zu wenig Frauen in der Branche unterwegs. Was sich positiv verändert hat ist allerdings, dass viel mehr darüber gesprochen wird und so Aufmerksamkeit auf das Thema geleitet wird. Zusammenschlüsse von Frauen, wie zum Beispiel bei den zunftschwestern, empfinde ich als sehr hilfreich. Als junge Frau in eine männerdominierte Branche zu kommen ist definitiv eine Challenge.
Du wirst in Zukunft als erste Frau die Nachfolge eures Familienunternehmens antreten. Welche Vorteile bringt dies aus deiner Sicht mit sich?
Ich bringe natürlich durch meine Persönlichkeit und meinen Charakter eine etwas andere Sichtweise auf viele Themen ins Unternehmen. Ich möchte da allerdings gar nicht zu sehr zwischen Männern und Frauen unterscheiden. Ich glaube eine gute Mischung macht das Team unschlagbar.
Was würdest du Frauen, die gerade mit einem Studium oder einer Ausbildung im Bereich der Baubranche beginnen, gerne mit auf den Weg geben?
Seht die Unterzahl an Frauen in der Branche als Chance! Es gibt viel Potential, Veränderungen voranzutreiben und es macht wirklich Spaß.
Wir bei den zunftschwestern betonen immer wieder die Wichtigkeit von Netzwerken. Kannst du uns Beispiele aus deinem Leben geben, bei denen der Schritt, auf andere Menschen zuzugehen, zu einer neuen Chance für dich geführt hat?
Ich habe durch einen Bekannten den Kontakt zu einem Dachdeckerbetrieb aus Köln bekommen. Wir haben uns dann auf der Messe Dach+Holz getroffen, gut verstanden und vor kurzem unser erstes gemeinsames Projekt umgesetzt: Ich habe ein Praktikum bei den Jungs auf dem Dach gemacht und wir haben gemeinsam unsere Produkte verbaut.
Du hast im September an unserem ersten SummerMeetUp-Event in Köln teilgenommen. Was konntest du für deinen Berufsalltag mitnehmen?
Networking ist ganz einfach!